Der begrenzende Faktor!

Hochkönigman 2019


Letztlich sehen wir allezeit nur unsere physischen Grenzen als Faktor für unsere Leistungsfähigkeit. Aber wie sieht es aus, wenn wir die Grenzen unseres Geistes betrachten? Genau genommen mit der Kapazität unseres Rechenzentrums im Kopf!? Circa 95 Prozent unseres Bewusstseins liegt im Verborgenen, in unserem Unterbewusstsein und ist für uns nicht zugänglich. Der Rest des Bewusstseins sind die Gedanken, die an der Oberfläche sind.


Als Beispiel beziehe ich mich jetzt auf meine Sportart: Es gibt beim Trail Running eine wahnsinnige Flut an Informationen, die in unserem Kopf eintrifft. Zum einen sind es die Augen, die Informationen über die Stecken wie Beschaffenheit – Boden, Wurzeln, Steine, Abtreppungen usw. – aufnehmen und zum Teil bewusst verarbeitet werden. Zum anderen werden die Massen an Informationen gleich im Unterbewusstsein in Reaktionen umgewandelt. Hier werden Informationen über Gelenkstellung, Muskelspannung, Druck und Temperatur durch die so genannten Propriozeptoren aufgenommen und verarbeitet. Erst wenn außergewöhnliche Messwerte im Unterbewusstsein vernommen werden wird die Information in unser Bewusstsein verlagert und wir müssen dann entscheiden, was wir damit anfangen wollen.


So viel dazu. Man sieht also, dass wenn wir uns aktiv z. B. auf einem Trail befinden, dass wohl unsere Hirnkapazität schon ganz schön am Limit fahren muss. Wenn ich nun meine Situation vom Hochkönigman sehe, wird auch klar warum es am Anfang nicht wirklich gut gelaufen ist.


1. Beim Racebriefing wurde für eine 4-5 km Strecke das Laufen auf Schnee angekündigt.
– Auch wenn es mir nicht direkt bewusst war, hat es nach meiner Erfahrung vom Goldsteig, im Unterbewusstsein enormen Stress verursacht.


2. Durch den Umbau meines/unseren neuen Büros und Studios, bin ich momentan durch viele Fremdeinflüsse schon grundsätzlich belastet und merke, dass es allmählich fertig werden müsste.
– Auch hier liegen die ganzen, nicht fertigen oder noch nicht entschieden Teilkomponenten hauptsächlich im Unterbewusstsein und nehmen Ihren Platz in Anspruch.


3. Ein zusätzlicher Faktor war und ist, dass ich mich dran machte einen Teil meiner Lebensgeschichte aufzuschreiben, um sie für Menschen zugänglich zu machen, die Motivation brauen, um Ihre Grenzen zu versetzten – damit meine ich vor allem die Grenzen die wir durch unsere Gedanken haben.
– Das holt enorm viel, mittlerweile gut Sortiertes, aus dem Speicher des Unterbewusstseins in das Bewusstsein und ist somit auch sehr präsent.


4. Die letzten Wochen waren, bedingt durch das viele Training und den Umzug des Büros, bei mir und auch bei meiner Familie einigermaßen turbulent.
– Es gibt vieles was uns im Alltag belastet und dann in die einzelnen Schubladen des Unterbewusstseins abgelegt werden muss. Solange ist es aber auch dauernd und erneut präsent im Bewusstsein


5. Auf den ersten Kilometern war ständig eine Gruppe von Italienern um mich herum. Nichts für ungut – dennoch haben sie mich mit ihren lautstarken Unterhaltungen echt genervt.
– Gedanken wie, warum die sich jetzt hier unterhalten, ich bin schon fast am Limit oder können die nicht mal den Schnabel halten, das lenkt mich absolut ab. Haben einen großen Teil des Bewusstseins eingenommen.


Im Kopf geht also immer irgendwie der Punk ab. Wenn es dann nicht richtig rund läuft kommt noch die komische Stimme hinzu. Du denkst jetzt: Der und seine Stimme…“! Aber ließ jetzt mal Hallo und denke – Hallo Stimme… sodann hast Du Deine innere Stimme gefunden.
Bei mir persönlich ist es so, wenn ich am Start zu einem Wettkampf stehe, drehe ich ca. 3 Minuten vor Startschuss das Schild meiner Kappe nach hinten. Anschließend beginnt ein kurzer Prozess, bei dem ich alles loslassen kann, ich teilweise (trotz Aufwärmen) mit einem Ruhepuls von 45 Schlägen in der Minute in der Startaufstellung stehe. Das hat funktionierte am Samstag schon mal nicht. Der Puls war bei 90 Schlägen. Naja…, waren meine Gedanken….


Als es schließlich los ging, war mein Kopf überfüllt mit Dingen, die bei einem Wettkampf nichts verloren haben. Ich spürte deutlich wie befangen ich beim ersten Downhill nach dem Natrun wurde. Mir fehlte der Speed. Ich war nur bei gefühlten 75% meiner Fähigkeiten und das nahm ich auch wahr. Wieder ein paar Gedanken obendrauf. Nach dem nächsten Anstieg wurde es wurzelig und nass. Auch hier bemerkte ich, dass mir die Leichtigkeit fehlte. Meine Füße waren unsicher. Nach Hinderthal kamen außerdem Schneefelder hinzu und ich musste wieder Geschwindigkeit rausnehmen, um nicht zu fallen. Andauernd wurde ich von Anderen überholt. Meine Stimme sagte mir, dass heute etwas mit mir nicht in Ordnung war. Also versuchte ich erneut mehr Geschwindigkeit aufzunehmen, gerade dann wenn ich merkte, dass sich wieder jemand von hinten annäherte.


Irgendwann dachte ich mir, bloß nicht fallen, hier ist so viel Schlamm und da wars auch schon passiert, ich hatte die Kontrolle über meinen rechten Fuß verloren und stürzte geradewegs auf den Po. Das nervte mich schließlich noch mehr, während zeitgleich die Gedanken über meine heutige Unfähigkeit stärker wurden. Mein Fokus bestand nun daraus, keine weiteres Mal zu stürzen. In der folgenden schnellen Downhill-Passage war es dann soweit, ein – zweimal konnte ich das Ausrutschen noch aufhalten, bis ich schlussendlich mit enormer Geschwindigkeit abflog. Schräg zum schlammigen Trail, kam ich in voller Länge meiner rechten Seite und meines Rückens zum Liegen. Aufgrund der Geschwindigkeit schob sich der Schlamm, wie ich im Ziel bemerkte, bis unter meine vollständige rechte Kompressionssocke. Bis auf die Tatsache, dass ich mit Schlamm übersät war, war mir weiter nichts passiert. Aber der Schrecken saß tief. Ich beschloss den kommenden Anstieg zu gehen, um zu analysieren, was da so in meinem Kopf vorgeht. Während ich sortierte, fing mein linker Oberschenkel an zu krampfen.


Das war der Wendepunkt. Ich bemerkte, dass ich durch meine Gedanken zu wenig getrunken hatte. Sodann nahm ich eine Salztablette und trank ordentlich. Da ich noch das Bein nachzog, ging ich die letzten Meter bergan. Jetzt folgte der Downhill nach Dienten, der über schmale, zum Teil sehr steile Trails, bergab zum nächsten Versorgungspunkt führte. Ich konnte die Trommler schon hören, die an der Labstation Stimmung machten. Ich erinnerte mich an das tolle Gefühl vom letzten Jahr, als ich in Dienten war. Dieses Jahr waren sogar meine Eltern mit nach Maria Alm gereist und warteten, neben meinen Kindern und Angela, auch in Dienten. Ich rannte los. Es lief stetig besser, der Krampf war wie weggeblasen. Auf halbem Weg nach unten kam mir der Krampf erneut ins Gedächtnis und ich spürte wie sich auf der anderen Seite nochmals einer entwickeln wollte. Also lief ich einfach schneller, denn meine Augen versorgten mein Unterbewusstsein mit den nötigen Informationen. Die Schrittlängen passten sich wieder an, ohne darüber nachzudenken was vor mir lag. Ich konzentrierte mich auf die Streckenführung, stellte fest wie ich schneller wurde und somit auch die ersten Läufer nach und nach einholte.


Ich beschloss mich in Dienten ein paar Minuten aufzuhalten, um meinen Flüssigkeitshaushalt aufzufüllen und etwas Obst zu mir zu nehmen. Grundsätzlich halte ich mich eigentlich nie lange an den Versorgungspunkten auf. Weiter ging’s mit einem langen Anstieg hinauf zur angekündigten Schneepassage. Positiv war, dass ich nicht wusste was da wirklich auf mich wartete. Das lässt sich auch kaum beschreiben. Sachlich würde ich es so beschreiben. Es waren einige hundert Höhenmeter im Schnee teils zu erklettern, einige Kilometer über eine schmale, rutschige Spur im Schnee zu laufen und wiederum eine steile Skipiste ein paar hundert Höhenmeter runterzurutschen. Das war der absolute Superwahnsinn!


Der nächste Downhill steuerte nach Hintermoos. Der Weg war nicht sonderlich anspruchsvoll. Dennoch bekam ich Seitenstiche und alles in meinem Brustkorb schmerzte. Ich ging wieder ein paar Meter und versuchte durch Atemübungen die Situation zu verbessern.

In Hintermoos angekommen, füllte ich meine Wasserfalsche auf und trank reichlich. Ab Hintermoos sollte die Strecke über 8km um 1000 Höhenmeter ansteigen. Während ich meine Banane aß, hörte ich jemand sagen: „Ach das ist ja der Markus Heppe“. Ich drehte mich überrascht um. An meinem Blick war vermutlich zu erkennen, dass mir nicht klar war wer mich da ansprach. Weiterhin sagte er: „Wir sind über Facebook befreundet und ich lese meist Deine Beiträge“. Innerlich brachte mich das ganz aus dem Häuschen, wie weit doch die Reichweite der sozialen Medien ist. Wir unterhielten uns kurz und ich hatte das Gefühl, dass mich andere musterten, ob man den Typen (mich) wohl kennen müsste. Jetzt folgte der lange Anstieg und er war tatsächlich lang. Auf halber Distanz überholte ich einen älteren Teilnehmer mit Gipsarm, der die Endurence Distanz lief. Er trug den gleichen Rucksack wie ich, nur war auf seinem eine französische Flagge abgebildet. Als ich schließlich auf gleicher Höhe war, sprach er mich an. Zu meiner Verwunderung auf einem urigen Österreichischen Dialekt. Da ich auf Französisch eingestellt war, musste ich zweimal nachfragen bis ich die Sprache richtig einsortiert hatte. Wir unterhielten uns eine Weile während des Laufens, was ich gleichzeitig nutzte, um ein wenig zu regenerieren.

Nächstes Zwischenziel war die Bergstation am Aberg. Hier hatte man einen tollen Blick auf die Originalstecke, die in diesem Jahr, wegen der Schneemassen aus dem Winter, nicht laufbar war. Auch hier ließ ich mir etwas mehr Zeit als üblich. Jetzt folgten die letzten 9km, allerdings mit rund 1.100 hm Downhill, anschließend wieder 300 hm bergauf, um wieder 300 hm hinab zu laufen. Nach kurzer Zeit im Downhill bemerkte ich, dass ich die Stecke kannte. Diese habe ich im letzten Jahr zusammen mit Alfred als Notabstieg markiert und erinnerte mich, dass diese sehr gut laufbar ist. Im Tal steuerte der Weg zum Natrun hinauf, mit der Sonne im Rücken. Eine Wahnsinnshitze befand sich in meinem Körper, aber auch einigen anderen Läufern merkte ich an, dass sie am Limit waren. Das weckte etwas in mir, ich visierte einen Läufer in einiger Entfernung an und beschloss- dich krieg ich. Ich kämpfte mich weiter an ihn heran. Nachdem ich in eingeholt hatte, nahm ich mir den nächsten vor. Oben angekommen, lief ich zusammen mit einem anderen Läufer den letzten Downhill, der direkt ins Ziel führte. Mir gelang es die Geschwindigkeit zu halten. Ca.1.500 Meter vorm Ziel holten wir eine Gruppe weiterer Läufer ein, mein Laufpartner zögerte jedoch einen Moment. Ich erinnerte mich an die Worte meines Trainers und Freundes Thomas Bosnjak: „Trail Running Rennen werden im Downhill gewonnen – und wennst schneller rennst, tuts kürzer weh!“ Für mich gab es kein Halten mehr. Ich bretterte an der Gruppe vorbei, so als hätte ich gerade eben erst das Rennen gestartet. Ich war in meiner Welt, keine Schmerzen und keine Angst vorm Fallen. Die Wanderer, an denen ich vorbei donnerte, sprangen applaudierend an die Seite. Yeah, ist das geil, dachte ich mir. Kurz vorm Ziel standen Lina und Johannes, um mit mir gemeinsam über die Ziellinie zu laufen. Ein Hammer Gefühl!


Im Ziel angekommen, schnappte mich gleich der Moderator, der mich zu meinem offensichtlichen Glücksgefühl interviewte. Ich trennte mich von meinem Rucksack und sprang zu allererst in den, extra für die Läufer die über die Ziellinie kamen, aufgebauten Pool.


Als Fazit, um nochmal die Einleitung aufzugreifen, es sind -mit ganz wenigen Ausnahmen- meist die Grenzen im Kopf, die uns zu schaffen machen. Wenn es uns gelingt diese zu überwinden, läuft es plötzlich. Wir sollten uns darauf ausrichten unsere Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Vorrangig sollten wir Probleme lösen und sie nicht dauerhaft in unser Unterbewusstsein drängen. Das kostet sehr viel kognitive Leistungsfähigkeit, die sich eben auch körperlich auswirkt.


Zum Event Hochkönigman bleibt nur zu sagen, dass es wieder eine außerordentlich gelungene Veranstaltung war. Ich sage Danke und Bravo an Thomas Bosnjak mit einem wahnsinnig tollen Team und den Tourismusverband Maria Alm, die sich jedes Jahr viele Überraschungen ausdenken und viel Geist und Zeit in dieses Event stecken.

Ich bin sehr begeistert wie groß die Gemeinschafft der Trail Runner ist, die sich hier jährlich versammelt. Vom Kids Trail mit den Kindern bis hin zu den Menschen, die die 70 geknackt haben, uns alle verbindet die Leidenschaft. Ich erinnere mich sehr gut, als ich vor drei Jahren zum ersten Mal dabei war, um den Speed Trail zu laufen. Ich schaute mir die Marathon und Endurance Läufer an und bewunderte sie für ihre Leistung -Das mache ich noch heute, unverändert!- Mir standen am Tisch ein paar junge Mädchen gegenüber, die mich musterten. In wenigen Minuten sollte der Start des Easy Trails sein, an welchem sie, gekennzeichnet durch ihre Nervosität, zum ersten Mal teilnahmen. Ich für mich dachte nur: Wenn ihr einmal auf dem Trail wart und der Funke überspringt, dann kommt ihr davon nicht mehr los – und ihr habt das „ Sieger geben niemals auf Gefühl“ vom Hochkönigman für immer in Euch!

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